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Resilienz: Interview mit Alexander Neumann

„Wir müssen trockene Füsse haben“

In mehr Resilienz zu investieren ist für Alexander Neumann ein entscheidender Faktor bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Im Interview erläutert der Senior Vice President Corporate Sustainability, wie HOCHTIEF zu mehr Widerstandsfähigkeit beitragen kann.

Herr Neumann, HOCHTIEF beschäftigt sich stark mit der Resilienz von Bauwerken. Tun Sie das, weil der Kampf gegen die Erderwärmung schon verloren ist?

Alexander Neumann: Wir müssen alles tun, um die Erderwärmung zu begrenzen. Daher haben wir als HOCHTIEF mit unseren ambitionierten Zielen, unter anderem bis 2045 klimaneutral zu sein (Nettonull), ein klares Bekenntnis gegeben und verfolgen dieses mit umfangreichen Maßnahmen. Gleichzeitig müssen wir uns aber auf die unausweichlichen Entwicklungen in der Zukunft vorbereiten, denn selbst wenn wir auf globaler Ebene die Treibhausgasemissionen signifikant reduzieren, wird es dennoch zu einer Erderwärmung mit extremeren Temperaturen, Trockenperioden und Starkregenereignissen kommen. Dadurch steigen natürlich auch die Anforderungen an unsere Bauwerke. Sie müssen entsprechend widerstandsfähiger werden, und wir wollen unseren Kunden nachhaltige und resiliente Lösungen anbieten.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Alexander Neumann: Nehmen wir als Beispiel Autobahnen. Durch steigende Temperaturen dehnt sich die Fahrbahn im Sommer immer mehr aus. Beton kann aufplatzen, und im Asphalt bilden sich schneller Spurrillen. Die klassischen Regelwerke, nach denen wir gebaut haben, werden künftig nicht mehr ausreichen. Wir müssen und wollen viel widerstandsfähiger planen und bauen. Das ist zugleich ein Beitrag zur Langlebigkeit und Nachhaltigkeit, auf die unsere Kunden immer mehr Wert legen. In unseren PPP-Projekten, bei denen wir auch für den Betrieb und die Erhaltung für Zeiträume von oftmals 30 Jahren verantwortlich sind, haben wir bereits umfangreiche Lösungsansätze entwickelt.

concepts Was muss sich konkret ändern?

Alexander Neumann: Wir sollten zukünftig viel mehr im Einklang mit der Natur bauen. Gebäude mit großen Glasflächen heizen sich im Sommer stark auf und kühlen im Winter schnell aus. Außerdem kann man schon durch eine optimierte Ausrichtung der Gebäude oder durch Fassadenbegrünung eine Menge machen. Das reicht aber nicht. Wir müssen urbane Räume als Einheit betrachten und ganzheitliche Lösungsansätze umsetzen. Durch Schaffung von Grünzonen, Wasserflächen und Frischluftschneisen heizt sich das Klima im städtischen Bereich erst gar nicht so auf, und die Lebensqualität der Menschen steigt.


Die klassischen Regelwerke, nach denen wir gebaut haben, werden künftig nicht mehr ausreichen.

Alexander Neumann, Senior Vice President Corporate Sustainability, HOCHTIEF

An welchen Stellschrauben kann man drehen, damit wir insgesamt resilienter werden?

Alexander Neumann: Wenn wir von der Natur lernen und Räume ganzheitlich verstehen, können wir sie auch ganz anders nutzen. Das Design und die Materialauswahl, aber auch smarte Betriebs- und Erhaltungskonzepte haben einen besonders großen Einfluss darauf, dass das Bauwerk auch in Zukunft den Umweltbedingungen standhält und energieeffizient betrieben werden kann. Außerdem kann zum Beispiel die erzeugte Hitze eines Gebäudes im Sommer ins Erdreich abgeleitet werden, während die Geothermie im Winter nachhaltige Wärme liefert. Auch durch eine geschickte städtebauliche Planung entstehen positive Effekte. Wir bauen und betreiben weltweit viele Rechenzentren. Die Server produzieren beim Betrieb Wärme. Damit kann man Schwimmbäder oder andere öffentliche Gebäude in der Nachbarschaft heizen. Nah- und Fernwärme sowie Energiespeicher haben ein enormes Potenzial.

Wie werden Städte resilienter in Bezug auf Starkregenereignisse?

Alexander Neumann: Auch hier müssen wir ganzheitlich denken. Starke Temperaturschwankungen begünstigen die Entstehung von starken Unwettern. Durch die Erwärmung der Meere gelangt zusätzliche Feuchtigkeit in die Atmosphäre. Das führt zu unvorhersehbaren und deutlich heftigeren Niederschlägen, teils mit katastrophalen Folgen. Denn die für Städte typische Oberflächenversiegelung verhindert das Versickern des vielen Wassers, sodass starke Überschwemmungen entstehen können. Um dem vorzubeugen, benötigt es verschiedene Ansätze. Zum einen sollte die Stadtplanung dem Prinzip der „Schwammstadt“ folgen: Wir brauchen deutlich mehr entsiegelte Flächen, sodass das Wasser versickern und den Grundwasserspiegel stabilisieren kann. Zum anderen müssen Bauwerke entsprechend geplant werden, um den extremeren Bedingungen standhalten zu können. Wir haben weltweit bereits viele Projekte realisiert.

Sie waren zehn Jahre lang Geschäftsführer von HOCHTIEF PPP Solutions in den Niederlanden. Ein großer Teil des Landes liegt unterhalb des Meeresspiegels. Sind uns die Niederlande in Sachen Resilienz  voraus?

Alexander Neumann: Wasser ist eine große Herausforderung für die Niederlande und deshalb viel präsenter bei der Bevölkerung als vielleicht in anderen Ländern. Es gibt dort das Sprichwort: „Wir müssen trockene Füße haben.“ Gerade was den Flutschutz angeht, sind die Niederländer natürlich sehr weit, direkt an der Küste, auch in wirtschaftlich schwächeren Regionen, wo teils gar kein Konzept für die Zukunft dieser Regionen vorliegt. Die niederländische Expertise kann da sicherlich eine große Rolle spielen.

Zusätzliche Flutschutztore und andere Anlagen schützen vor Überschwemmung. Man sieht sie aber nicht, und sie erhöhen meistens auch nicht den Gebrauchswert einer Immobilie. Sind Auftraggeber bereit, entsprechend mehr zu investieren?
Alexander Neumann: Wer ein Projekt in einer gefährdeten Zone realisiert, muss sein Eigentum und die Menschen schützen. Deshalb sind Auftraggeber wie beispielsweise in den Niederlanden bereit, in die Resilienz der Infrastruktur zu investieren. Der Bauherr kann die Probleme aber nicht allein lösen. Stadt- und Landschaftsplaner müssen das Umfeld gemeinsam so gestalten, dass wir mit den Folgen des Klimawandels leben können.

Zur Person


Als Senior Vice President Corporate Sustainability ist Alexander Neumann unter anderem für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsplans von HOCHTIEF zuständig. Vor seiner jetzigen Position leitete Neumann zehn Jahre lang die PPP-Tochtergesellschaft von HOCHTIEF in den Niederlanden.


Extremwetterlagen können schon die Bauarbeiten beeinflussen. Wie bereitet sich HOCHTIEF auf so etwas vor?

Alexander Neumann: Besonders wichtig ist natürlich der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Menschen, die an unseren Projekten arbeiten. Aber auch im technischen Bereich müssen wir heute auf viel mehr Dinge achten. Nehmen Sie das Betonieren. Dabei reagiert Wasser mit Zement. Ist die Hitze groß und damit die Verdunstung zu hoch, bekommt der Beton Risse und Probleme mit der Festigkeit, auch die Langlebigkeit wird negativ beeinflusst. In vielen Regionen der Welt wird deshalb Beton sogar mit Eis gekühlt. Ein Lösungsansatz des Problems besteht im Einsatz von vorproduzierten Fertigteilen, die unter kontrollierten Bedingungen, unabhängig von Wettergegebenheiten, hergestellt werden und dann auf den Baustellen nur noch montiert werden müssen. Das dient dem Schutz unserer Mitarbeitenden und leistet einen Beitrag zur Qualität unserer Projekte.


Was bedeutet das Thema in Zukunft für Sie?

Alexander Neumann: Auf die Gesellschaft und die Bauindustrie kommt hier eine riesige Aufgabe zu, um weltweit Infrastruktur widerstandsfähig zu gestalten. Die Transformation der Infrastruktur ist eine gewaltige Kraftanstrengung, die gemeinsam mit unseren Kunden und vielen Projektbeteiligten vorangetrieben werden muss. Mit unserer umfangreichen Expertise und unserem ganzheitlichen Ansatz freuen wir uns, nachhaltige und resiliente Projekte für unsere Kunden weltweit zu realisieren. Das Thema ist ein wichtiges und vielversprechendes Geschäftsfeld, und gleichzeitig leisten wir damit einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag.