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Nachhaltigkeitsstrategie 2025: Interview mit Martina Steffen

„Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt“

Nachhaltigkeit rückt immer mehr in den Mittelpunkt der gesamten Konzernstrategie. Vorständin Martina Steffen, Arbeitsdirektorin und Chief Sustainability Officer von HOCHTIEF, erläutert im Gespräch mit concepts-Chefredakteur Torsten Meise, welchen Herausforderungen sich der Konzern mit dem gerade verabschiedeten Nachhaltigkeitsplan 2025 stellt.

Frau Steffen, HOCHTIEF zählt zu den Marktführern bei grünen Gebäuden und belegt in Nachhaltigkeitsrankings stets vordere Plätze. Warum verabschiedet der Konzern jetzt den „Sustainability-Plan 2025“?

Martina Steffen Nachhaltigkeit ist schon seit Jahren ein wichtiges Thema bei HOCHTIEF und auch einer unserer zentralen Werte. Wir haben hier eine gute Basis und eine sehr gute Reputation am Markt. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch stark verändert, und die Bedeutung hat deutlich zugenommen. Deshalb haben wir 2021 in unserem Zukunftsprojekt „Project ONE“ auch das Thema Nachhaltigkeit neu betrachtet und bewertet. ONE steht für „Our Next Evolution“. Eins ist klar, wir können unsere Zukunft nur mit der richtigen Nachhaltigkeitsstrategie gestalten. Wir sind gut, aber die Reise hat gerade erst begonnen, und wir können auf jeden Fall besser werden.

Nachhaltigkeit gehört also noch stärker zur Kernstrategie des Konzerns?

Martina Steffen Ja, absolut. Nachhaltigkeit ist eine Voraussetzung für unseren zukünftigen Unternehmenserfolg. Ich bin überzeugt, es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um die nächsten Schritte zu gehen. Viele Stakeholder sind bereit für das Thema. Europa etwa hat mit dem „European Green Deal“ ein wichtiges Zeichen gesetzt. In Skandinavien und den Niederlanden nimmt Nachhaltigkeit schon eine Schlüsselposition bei der Auftragsvergabe ein.

Und außerhalb Europas?

Martina Steffen Über unsere Töchter in den USA wissen wir zum Beispiel, dass viele Technologieunternehmen in Kalifornien hier sehr fortschrittlich sind und nachhaltige Lösungen fordern. Wir sehen, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzt, da bei Kunden international ein Umdenkprozess stattfindet. Der Sustainability-Plan 2025 ist auch deshalb von einem internationalen Team gemeinsam mit unseren weltweiten Beteiligungen entwickelt worden. Auch die Umsetzung wird natürlich weltweit stattfinden.

Zur Person

Die Datenverarbeitungskauffrau und Informatik-Betriebswirtin (VWA) ist 2021 in den Vorstand der HOCHTIEF Aktiengesellschaft und zur Arbeitsdirektorin des Konzerns berufen worden. Sie verantwortet hier das Personalressort und den Bereich Nachhaltigkeit.

Martina Steffen ist seit 1989 für HOCHTIEF in wechselnden Positionen tätig, unter anderem als Leiterin der Konzernabteilung Personal und seit Mai 2021 auch als Chief Sustainability Officer.


© HOCHTIEF

Können Sie uns Beispiele geben für konkrete Maßnahmen, die HOCHTIEF und die Tochterunternehmen aktuell umsetzen oder in nächster Zukunft umsetzen werden?

Martina Steffen Wir haben klare Ziele in den Feldern Environmental, Social und Governance (ESG) festgelegt, mit entsprechenden Maßnahmeplänen und Key Performance Indicators (KPIs). Wir haben einen starken Fokus auf Kreislaufwirtschaft gesetzt und dort entsprechende Ziele vereinbart. Zu erwähnen ist aber vor allem, dass wir als Konzern bis 2045 klimaneutral sein wollen.

Das ist ein ambitioniertes Ziel, wie wollen Sie es erreichen?

Martina Steffen Wir müssen uns dazu enorm anstrengen. Wir werden das gemeinsam schaffen, wenn auch unsere Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner mitmachen. Unsere Arbeit beginnt jetzt. Deshalb schauen wir nicht nur auf 2045, sondern haben auch ehrgeizige Zwischenziele bis 2025.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität?

Martina Steffen Zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien, von denen wir in Zukunft riesige Mengen benötigen. Auch die Umstellung der Baumaschinen auf CO₂-neutrale Antriebe ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Kleinere Maschinen mit Elektroantrieb sind schon verfügbar, bei größeren dauert es noch einige Jahre, bis diese dann auch auf Elektro- oder vermutlich Wasserstoffantrieb umgestellt werden. Die größte Herausforderung ist aber wohl die CO₂-Bilanz der Baumaterialien wie Stahl, Beton, Asphalt und Glas. Die Herstellung ist sehr energieintensiv und mit erheblichen CO₂-Emissionen im Produktionsprozess verbunden.

Bei all diesen Punkten ist HOCHTIEF aber vor allem auf andere Player angewiesen, oder?

Martina Steffen Niemand kann diesen Weg allein gehen. Wir sind schon lange im Dialog mit vielen Zulieferern und beobachten, dass diese ebenfalls bereit sind, nachhaltige Lösungen zu finden. HOCHTIEF will aktiv vorangehen. Wir glauben, dass das schon jetzt ein großer Wettbewerbsvorteil für uns ist und zukünftig noch entscheidender sein wird.

Welchen Beitrag kann HOCHTIEF selbst leisten?

Martina Steffen Wir setzen beispielsweise auf die Innovationskraft unserer Beschäftigten. Es gilt, Projekte ganzheitlich über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten. Hier hilft es uns, dass wir neben unserer Expertise in der Bauausführung auch solche im Design sowie in Betrieb und Erhaltung haben. Wir wollen die Abläufe weiter optimieren und dadurch viel Energie und Ressourcen einsparen. Wir setzen zudem auf bauliche Lösungen: mehr Holz statt Beton und Materialien, die wiederverwertet oder vollständig recycelt werden können. Mit unserem Know-how gilt es, im Planungsprozess die Weichen richtig zu stellen.

Wie wichtig ist die Digitalisierung der Bauindustrie für das Erreichen der Klima- und Nachhaltigkeitsziele von HOCHTIEF?

Martina Steffen Digitalisierung ist ganz zentral für unsere Strategie. Unsere Innovationstöchter Nexplore und ViCon haben bereits zahlreiche Programme und Werkzeuge entwickelt, die uns helfen, das Bauen effektiver und nachhaltiger zu machen. Nur ein Beispiel: Durch Digitalisierung gelingt es uns, die Verbräuche von Ressourcen wie Strom, Wasser oder Beton einfacher und besser zu erfassen. So wird der Material- und Energieverbrauch sichtbar und messbar und das Bewusstsein geschärft. Gleichzeitig hilft uns die Digitalisierung in vielen anderen Bereichen dabei, effizienter und damit auch nachhaltiger zu planen, zu bauen und zu betreiben.

Nachhaltigkeit ist ja ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Dimensionen unternehmerischen Handelns. Was haben Sie sich zum Beispiel im Sozialbereich vorgenommen?

Martina Steffen Bei HOCHTIEF und allen Unternehmen der Gruppe schaffen wir ein Umfeld, in dem Menschen ihr Bestes geben und authentisch sind. Dazu zählen der Arbeits- und Gesundheitsschutz, aber auch die Förderung von Vielfalt in allen Positionen. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Unser Ziel ist es beispielsweise, die Frauenquote im Senior Management bis 2025 um 50 Prozent zu erhöhen. Das ist ehrgeizig, denn der Anteil von Frauen, die Bauingenieurwesen studieren, liegt bei unter 30 Prozent. Wir werden deshalb mehr Förderungsprogramme und Trainings anbieten und den Know-how-Transfer im Unternehmen weiter verbessern. „Workplace Variety“ ist ein wichtiges Thema für uns, und das geht auch weit über das Thema Frauenquote hinaus.

Auch am Finanzmarkt spielen Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien eine zunehmend wichtigere Rolle. Bemerkt das HOCHTIEF auch? Und wie steht das Unternehmen hier da?

Martina Steffen Als Aktiengesellschaft nutzt HOCHTIEF kontinuierlich den Kredit- und Kapitalmarkt, um sich großvolumig zu refinanzieren. Natürlich merken wir, dass das Thema Nachhaltigkeit seit der Pariser Klimakonferenz 2015 bei Banken und Investoren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Im Zuge der Vermarktungsphase der im April 2021 begebenen HOCHTIEF-Anleihe in Höhe von 500 Millionen Euro wurde das Thema ESG von vielen institutionellen Investoren angesprochen. Die Auszeichnungen, Ratings und Rankings, die HOCHTIEF für nachhaltiges Handeln erhalten hat, wurden dabei ebenso positiv aufgenommen wie unsere transparente Berichterstattung dazu, etwa auf der Homepage. Wir arbeiten auch intensiv daran, zukünftig mehr Finanzierungsinstrumente in einem nachhaltigen und umweltfreundlichen Kontext zu emittieren.

Welche Vorgaben und Änderungen wünscht sich HOCHTIEF vom Gesetzgeber, um mehr Nachhaltigkeit in der Bauindustrie zu fördern?

Martina Steffen Im Vergaberecht und Beschaffungsprozess müssen die richtigen Anreize für Nachhaltigkeit gesetzt werden. Wir sollten dabei erreichen, dass die Bauindustrie und die Kunden enger zusammenarbeiten, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Dabei bieten sich zum Beispiel kooperative Verträge und Partnerschaftsmodelle an. Die Bewältigung der Herausforderungen gelingt auch an dieser Stelle nur gemeinsam, in enger Kooperation zwischen Auftraggebern und der Bauindustrie.

Frau Steffen, vielen Dank für das Gespräch!

Erschienen in concepts by HOCHTIEF (01/2022)