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Das gab's noch nie

Verrückt

Spektakulärer Erfolg für HOCHTIEF-Ingenieure an der Autobahn 45: Anfang März stemmten sie etwas in Deutschland bisher nicht Dagewesenes: Sie verschoben eine Brücke von fast 1.000 Meter Länge. Schauen Sie unseren Ingenieuren Lars Scheidemantel und Yannis Schwarze an ihrem großen Tag über die Schulter.

Auf dieser Seite

Drei Eiffeltürme in Bewegung

Der Brückenverschub in der Theorie ...

Das war der Höhepunkt beim Neubau der Lennetalbrücke bei Hagen in Nordrhein-Westfalen. Nie zuvor wurde eine Brücke von dieser Länge in Deutschland zuvor seitlich verschoben. Ein 30.000-Tonnen-Koloss, dreimal so schwer wie der Eiffelturm.

... und so sah es in der Praxis aus.

Hydraulisch angetriebene Stahlseile rückten das Bauwerk um exakt 19,15 Meter auf die neuen Pfeiler. 6,5 Stunden dauerte die monatelang geplante Operation, während nebenan der Verkehr weiterlief. „Wir mussten extrem behutsam vorgehen, damit der Beton nicht aufreißt. So etwas geht nicht mit Gewalt“, sagt Projektleiter Jan Felgendreher. Ein Team von 70 Fachleuten sorgte dafür, dass es klappt. Im Sommer 2021 wurde der Verkehr auf der gesamten Brücke freigegeben.

Die Brücke in Zahlen

Der Weg zur Premiere

Eine Operation am offenen Herzen - und eine Herausforderung für Brückenbauexperten. Damit der Verkehr weiter fließen kann, haben unsere Experten die bestehende Brücke abgerissen und durch zwei neue Brücken ersetzt, je eine pro Fahrtrichtung. Um die alte Überführung abreißen zu können, wurde zunächst eine Behelfsbrücke gebaut, die den Verkehr aufnimmt. Schritt 2: Die alte Lennetalbrücke wurde abgerissen, zwei neue Brücken entstanden, für eine davon aber nur die Pfeiler. Anfang März 2021 wurde die Fahrbahn der Behelfsbrücke seitlich auf die neuen Pfeiler geschoben.

Impressionen aus der Bauzeit

Unser Mann auf der Brücke

  • Ja, mache ich
    Jan Felgendreher erinnert sich noch gut an den Moment, als sein damaliger Chef ihn zum ersten Mal auf die Lennetalbrücke ansprach...

    ... Für das Großbrückenprojekt fand der Vorgesetzte nicht die richtigen Leute. „Ich weiß gar nicht, was ich machen soll.” Felgendreher zu fragen, sollte sich als richtig herausstellen. „Ja, mache ich”, lautete seine Antwort.

    Zögern, Bedenken tragen, nach allen Seiten absichern, bevor man den ersten Schritt macht – man darf sich Jan Felgendreher als das ziemlich exakte Gegenteil davon vorstellen. Ein Kerl wie ein Baum, offen, zupackend, geradeaus. „Ja, mache ich”, war auch seine Reaktion, als er nach dem Ingenieurstudium 1996 seinen ersten Job anging, den Bau des B9-Tunnels in Bad Godesberg. „Ich habe es nie bereut”, sagt Felgendreher nach einem Vierteljahrhundert HOCHTIEF. „Jeden Tag lerne ich etwas Neues und bin ständig unter Leuten in ganz unterschiedlichen Konstellationen. Der 52-Jährige hat viel erlebt, den Bau von Terminal 2 am Flughafen Köln/Bonn und einiger Müllheizkraftwerke etwa.

    An der Lennetalbrücke holte er viele Nachwuchs-Ingenieure an Bord. „Das macht richtig Freude.” Und denen, die später mal an seiner Stelle Projekte leiten sollen, gibt er gleich zu Beginn in seiner liebevoll-rustikalen Art mit auf den Weg: „Auf der Baustelle musst du Spaß haben, dir den Arsch aufzureißen, damit Kunden, Eisenbieger und Vorstände zufrieden sind.”

    Was dazu nötig ist, scheint ein gesundes Maß an Demut. „Jede Führungskraft sollte Kinder haben. Sie werden dir die Grenzen aufzeigen.” Felgendreher hat zwei Söhne, die in England zur Schule gingen, weil er bis 2012 dort acht Jahre für HOCHTIEF gearbeitet hat. Um bei einem Projekt die Trinkwasserversorgung im südenglischen Brighton nicht zu gefährden, musste er einen 60 mal 60 Meter messenden Betonkeller unterwässern und um 60 Meter verschieben. Er kennt sich also aus mit den Tücken des Verschubs großer Projekte.

    Als die Söhne ihn kürzlich eher bange fragten, ob er wirklich dabei mitmischen wolle, die Leverkusener A1-Autobahnbrücke fertig zu bauen, zeigte er ihnen, dass man Herausforderungen ruhig annehmen darf. Der HOCHTIEF-Mann antwortete so kurz wie eindeutig: „Logisch.”



In die Knie gezwungen

„Das macht ordentlich Spaß.“ Projektleiter Jan Felgendreher kann sich noch gut an die Donnerschläge im Jahr 2017 erinnern. Da zwang Sprengstoff die 1967 gebaute Lennetalbrücke nieder, Felgendrehers erste Sprengung. „Als es knallte, habe ich mein Handy fallen lassen.“ Staubwolken hüllten das Tal ein und gaben letztlich den Blick frei auf den planmäßig zu Boden gegangenen Beton. Auch die beidseits der Bahntrasse stehenden Pfeiler knickten in die vorgesehene Richtung.

Freier Flug für Fledermäuse

Die Arbeiten an der neuen Lennetalbrücke sollten so wenig wie möglich in die Natur eingreifen. Zu den Profiteuren zählen unter anderem Fledermäuse, für die HOCHTIEF eigens einen vier Meter langen Tunnel an einem Hang anlegte, damit die dort vermuteten Populationen ungestört bleiben. Auch das teilweise starre Ufer der Lenne hat HOCHTIEF flexibler und damit naturnäher gestaltet. Fachleute nennen dies Ufer-Entfesselung.

Viele Tonnen Schutt fielen beim Abriss der alten Brücke an. Das Material wurde sortiert und wiederverwertet. Ein Teil wanderte auf das Gelände des ehemaligen Opel-Werks in Bochum, wo er als Basis des dort entstandenen neuen Industrieparks dient. Betonschutt verwendet HOCHTIEF bei anderen Brückenprojekten als Unterbau wieder.

Besonders nachhaltig, findet Projektleiter Jan Felgendreher, ist die Brücke selbst, weil sie für 100 Jahre Lebensdauer konzipiert ist.

Am Rande

Autobahnen unter Schwerlast

Die Alten müssen weg

An vielen Orten ächzt das Autobahnnetz unter der täglichen Last der Laster.
An vielen Orten ächzt das Autobahnnetz unter der täglichen Last der Laster.

Die Lennetalbrücke kennt viele Leidensgenossen. Die Leverkusener A1-Rheinbrücke etwa, die Schiersteiner Brücke bei Wiesbaden, die A40-Brücke bei Duisburg… Die Liste ließe sich beinahe beliebig fortsetzen. An vielen Orten ächzt das Autobahnnetz unter der täglichen Last der Laster. Jahrelang floss zu wenig Geld in den Erhalt, nun ist der Verschleiß unübersehbar. Und manche Brücke muss noch vor dem Rentenalter weg.

Wie die Lennetalbrücke. „Eigentlich schade. Sehr schlank, echte Ingenieurskunst. Aber am Abriss führt kein Weg vorbei“, sagt Projektleiter Jan Felgendreher. Grund: Die A45 war in den 60er Jahren auch als „Urlaubsautobahn“ gedacht, sollte die Menschen aus dem Ruhrgebiet schneller in den Süden bringen. Dass das Verkehrsaufkommen explodieren würde, ahnte keiner.

Über 10.000 Laster rollen täglich über das Bauwerk. Und sie werden immer schwerer. 1956 waren 24 Tonnen erlaubt, heute sind es 44 Tonnen. Lkw versetzen die Brücke in Schwingung. Kleine Risse bilden sich im Beton, durch die Salzwasser dringt und den Stahl angreift – bis die Bewehrungsstäbe durchrosten und der Beton abplatzt.