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Streng geheime Autobahnbrücke

Manfred Kaiser
Manfred Kaiser

Mit zitternden Händen und Herzklopfen montiert Manfred Kaiser das Teleobjektiv auf seine Spiegelreflexkamera. Versteckt im Gebüsch fokussiert er mit 600 Millimeter Brennweite sein mehrere hundert Meter entferntes Motiv: eine riesige HOCHTIEF-Brückenbaustelle im Werratal. Was er macht, ist streng verboten. Und das, was dort entsteht, so etwas wie ein Staatsgeheimnis.

Es ist 1981 und Deutschland noch ein geteiltes Land. Von den im Zweiten Weltkrieg eingestellten Autobahnbauarbeiten ist auch die A4 zwischen Obersuhl im Westen und Eisenach im Osten betroffen. Geblieben ist ein Nadelöhr für den Transitverkehr. Also erteilt die DDR-Regierung den Auftrag, eine neue Autobahnbrücke grenzüberschreitend über das Werratal zu bauen. Und vergibt den Job ausgerechnet an den damaligen “Klassenfeind” in der Bundesrepublik – HOCHTIEF eben.

Vermutlich war das der Grund, warum nicht nur das Fotografieren untersagt war. Insgesamt betrieb die DDR großen Aufwand, um das Projekt geheim zu halten. Das Bauareal sichern Metallgitterzaun, Beobachtungstürme, Schranken-, Ampel- und Kameras. Volkspolizei und Grenzsoldaten patrouillieren.

Um die Baustelle geheim zu halten, wohnten die HOCHTIEF-Arbeiter in extra errichteten Wohnheimen auf Ostgebiet in Brückennähe. Es gab einen eigens hierfür erbauten Intershop mit Westwaren, denn nach Hause durften die Brückenbauer nur am Wochenende. Sie bekamen Dauer-Visa und Kontaktverbot zu DDR-Bürgern wie Manfred Kaiser. Weder Fernsehen noch Zeitung haben damals berichtet. Hobbyfotograf Kaiser jedoch ließ sich nicht bevormunden: “Mir lag daran, den Baufortschritt so gut wie möglich festzuhalten.” Immer wieder schlich er sich heran und lichtete die Entstehung der mit 732 Metern Länge größte Brücke der DDR ab.

Und Kaiser erinnert sich noch an einen Ausnahme-Donnerstag. Normalerweise erfolgten donnerstags regelmäßig Sprengungen, die nötig waren, um die Autobahntrasse mit der Brücke zu verbinden. „Nur am Donnerstag, den 21. April 1983 blieben die Sprengungen aus“, wunderte sich Kaiser damals. Wie sich herausstellte, besuchte Erich Honecker an diesem Tag Eisenach und die Wartburg. Da sollte kein Knall stören. Auch alle Jäger mussten an diesem Tag ihre Waffen abgeben.

Verborgen vor den Blicken der Öffentlichkeit wuchs die Brücke drei Jahre über das Werratal, bis sie am 15. Dezember 1984 ohne jedes Fest freigegeben wurde. Die Rechnung über 186 Millionen Mark bezahlte übrigens die Bundesrepublik.