Jeder Projektstart eine Firmengründung
Jan Felgendreher, Leiter des Kompetenzzentrums Brückenbau und Unternehmer im Unternehmen
Die A1, Rheinbrücke Leverkusen, Fahrtrichtung Trier. Eine Autobahn-Baustelle, die wohl jeder kennt. Aber niemand kennt sie so wie Jan Felgendreher, Leiter des Kompetenzzentrums Brückenbau bei HOCHTIEF und Verantwortlicher für ein Projekt, das, wie er nicht ohne Stolz sagt, „bekannt ist aus Funk und Fernsehen“. Der Bauingenieur kümmert sich darum, dass alles läuft. Der typische Arbeitstag? „Fängt früh an und hört spät auf und die Zeit dazwischen ist immer zu kurz.“
Der typische Arbeitstag fängt früh an und hört spät auf und die Zeit dazwischen ist immer zu kurz.“
Ein Fulltime-Job also schon für sich genommen, aber er kümmert sich auch um das Drumherum: Akquise, Abwicklung, die Einrichtung der Baustelle, selbst um Details wie die Internetanbindung. „Man fängt im Grunde bei Null auf der grünen Wiese an. Deswegen ist jeder Projektstart wie eine Firmengründung; jede Brücke bildet bei uns ein Unternehmen im Unternehmen“. In Leverkusen wäre das mittlerweile ein veritabler Mittelständler mit durchschnittlich rund 100 Mitarbeitern vor Ort – je die Hälfte von HOCHTIEF und dem Stahlbaupartner – und einem Jahresumsatz von gut 20 Mio. Euro. Die Internetanbindung aber, die bereitet dem Projektleiter gerade Bauchschmerzen. Keine hundert Meter entfernt liegt ein Glasfaserkabel, aber darüber einen Anschluss zu realisieren, wäre zu langwierig. Aber er kann mit Mobilfunk improvisieren, um seine Daten zu übertragen. Und so kommt es, dass Leverkusen, den Widrigkeiten zum Trotz, eine der modernsten und am stärksten digitalisierten Baustellen Deutschlands ist. Aber: „Wir könnten noch mehr tun“, und das ärgert ihn, denn sein junges Team legt Wert auf alles Digitale. „Vor allem aber darauf, sich in wichtigen Projekten entfalten zu können und unternehmerische Verantwortung zu übernehmen.“
Jeder muss als Unternehmer denken und handeln.“
Dieser Geist ist für Felgendreher der Schlüssel zum Erfolg der Projekte, der Firma und auch jedes Einzelnen: „Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und jeder Mitarbeitende muss als Unternehmer für seinen Verantwortungsbereich denken und handeln. Das erfordert die Bereitschaft, im positiven Sinne querzudenken, sich selbst immer wieder neu zu hinterfragen und auch alternative Wege einzuschlagen. Diese Denkweise ist tief in HOCHTIEF verankert und wird aktiv gefördert. Wir als Führungskräfte sind dabei als Multiplikatoren gefragt.“ Man müsse auf jeder Hierarchieebene den Mut haben, sich seinen Herausforderungen zu stellen. Und die sind nicht gerade klein.
„Ein Brückenersatzbau ist ein hochkomplexes Unterfangen. Ein neues Bauwerk zwischen bestehenden Immobilien und Schutzzonen für die Natur zu errichten, während der Verkehr auf der alten Brücke möglichst ungehindert weiterlaufen muss, zählt sicher zu den Königsdisziplinen im Ingenieurbau.“ Und zu den wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben, könnte man ergänzen. Denn die Mobilität auf unseren Fernstraßen und über unsere Brücken muss erhalten bleiben, und das, obwohl die Bauwerke unter ganz anderen Umständen geplant wurden: „Die A45 beispielsweise war früher die Ferienautobahn für das Ruhrgebiet und ist heute eine der am stärksten frequentierten Lkw-Strecken.“ Die schweren Transporte belasten die Infrastruktur um ein Vielfaches im Vergleich zum Pkw. Deswegen „gibt es kaum noch Rheinbrücken, die keine kleineren oder größeren Macken haben. Leverkusen musste ersatzneugebaut werden, da sonst eine wichtige Ost-West-Verbindung weggebrochen wäre – mit desaströsen Auswirkungen auf die alternativen Routen.“
Ein Vierteljahrhundert ist er jetzt bei HOCHTIEF. Eingestiegen als Bauführer, heute Kopf des Kompetenzteams Brückenbau. In der Zeit hat er mit wechselnden Teams einiges bewegt. So verschoben sie an der A45 in die 1.000 Meter lange Lennetalbrücke komplett über eine Strecke von rund 20 Metern in die endgültige Position. Alles passte perfekt, nur bei einer einzigen Schraube verschätzte er sich um wenige Millimeter. Ein Foto davon ist heute sein Bildschirmschoner, als Erinnerung an die unglaubliche Präzisionsarbeit und als Mahnung an sich selbst, es immer noch ein bisschen besser machen zu wollen.