Intelligente Infrastruktur, sprechende Straßen
René Schumann digitalisiert mit ViCon die Bauwirtschaft
René Schumanns Hobby ist die Zukunft. Als angehender Bauingenieur beschäftigte er sich schon in den 90er Jahren mit der Digitalisierung, schreibt als Werkstudent bei HOCHTIEF einen datenbankbasierten Baustellenmanager. 2001 macht er im Unternehmen sein Hobby zum Beruf und führt Internetbasiertes Dokumentenmanagement bei HOCHTIEF ein, 2004 kommt er zum Projekt „virtuelle Baustelle“. Mithilfe von Modellen soll der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes von der Planung bis zum Betrieb digital gesteuert und dokumentiert werden, Baumaschinen sollen autonom arbeiten oder Straßen mit Fahrzeugen in den Dialog treten.
Vor knapp 20 Jahren ist das für Viele in der Branche Zukunftsmusik. „Die einen sahen darin ein interessantes Forschungsprojekt, für die allermeisten war das bloß Toys for Boys“, erinnert sich Schumann. Er glaubt nicht nur an die Vision, sondern auch an ein Geschäftsmodell für „Virtual Design and Construction“ und bekommt die nötige Beinfreiheit. Im Jahr 2007 gründet er mit vier weiteren Mitstreitern die HOCHTIEF-Tochter ViCon. Das Unternehmen will Bauherren und die öffentliche Hand im Bereich des Virtuellen Bauens beraten. Mit dem Konzept des Building Information Modeling (BIM) lassen sich Projektrisiken, Kosten und Bauzeiten reduzieren. Die Idee ist gut, der Zeitpunkt passte nicht so recht.
Wo es Geld zu graben gibt, sollte man graben“
Zu dieser Zeit schlägt die Weltwirtschaftskrise voll auf die Bauwirtschaft durch. Vor allem in Europa und den USA kommen die Investitionen praktisch zum Erliegen. Wo keine Projekte, da keine Risiken, die sich reduzieren ließen. Für die Idee digitale Zwillinge zu erzeugen und zuerst digital zu bauen fehlt das Verständnis und das Geld. Aber die Gründer resignieren nicht, sondern gründen gleich noch einmal: ein Tochterunternehmen im Nahen Osten, wo die Konjunktur nicht schwächelt. Schumann übernimmt als Managing Director und bringt ViCon dort in Position, in einem Markt der nach Innovationen ruft. 2010 generiert das Unternehmen fast 90 Prozent seines Umsatzes auf den internationalen Märkten – „wo es Geld zu graben gibt, sollte man graben“. Heute sind die Verhältnisse anders, aber geblieben ist das Multikulturelle, Internationale. Rund 500 Projekte rund um den Globus sind mittlerweile realisiert, die Mitarbeitenden kommen aus 15 Ländern und sprechen doch eine Sprache: „Digitalisierung kennt keine Landesgrenzen.“
„Die Bauwirtschaft muss sich verändern“
Grenzen einreißen will Schumann auch in der eigenen Branche. „Die Bauwirtschaft wird sich verändern. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und Augmented Reality erfordern Offenheit und vernetztes Handeln – auch im Umgang mit Daten und Modellen – und zukünftige Kooperationen. Aber auch ein neues Selbstbewusstsein bei Zukunftsthemen. Beim autonomen Fahren beispielsweise spielt nicht allein das Fahrzeug eine Rolle, sondern auch die Straße. Es braucht eine intelligente Infrastruktur, auf der es sich bewegt. Und die muss erst noch gebaut werden.“
Für andere war es bloß Spielzeug, für uns ein Geschäftsmodell“
April 2023