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Das erste DDR-Spaßbad

Der 20. März 1981 war ein besonderer Tag. Für HOCHTIEF, für die Deutsche Demokratische Republik. Und vor allem für den ersten Mann im SED-Staate: Erich Honecker nahm an jenem Tag einen goldenen Schlüssel in Empfang und setzte mit einem Knopfdruck hohe Wellen in Bewegung. Eröffnet war es, das erste Spaßbad im real existierenden deutschen Sozialismus. Zugleich ein plastisches Beispiel für manch Absurdes im Selbstverständnis des Ostens.

Eine riesige Badelandschaft, Bowlingbahn, Tischtennisplatten, Ballettsäle, ein Friseursalon – große Glasflächen, aluminiumverkleidete Fassaden mit Sprossenfenstern, bunte Möblierung – für das Prestigeobjekt hatte sich der staatliche Auftraggeber nicht lumpen lassen. Überschwänglich lobte Honecker denn auch die Seinen, namentlich die am Bau beteiligten volkseigenen Betriebe. Was er bei der Zeremonie unter den öffentlichen Tisch fallen ließ: der Westen hatte die Realisierung überhaupt erst ermöglicht.


Honecker am Wellenbad

Der erste Mann im ostdeutschen Staate eröffnete das von HOCHTIEF gebaute erste Spaßbad der DDR. Erich Honecker, damals Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzender des Staatsrats, nannte das Sport- und Erholungszentrum ein Symbol für die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“.

© Bundesarchiv, Bild 183-Z0320-406 / Reiche, Hartmut / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons


Der Freizeitkoloss im Herzen Berlins war von schwedischen Architekten entworfen worden – HOCHTIEF hat ihn anpassen müssen, da er die DDR-Zulieferbetriebe vor technisch nicht lösbare Probleme stellte und die DDR-Aufbauleitung die Ursprungspläne als zu westlich-dekadent identifizierte. HOCHTIEF-Ingenieure bekamen Dauervisa und stellten sich trotzdem auf tägliche Grenzkontrolle ein. Was Honecker erst recht nicht erzählte und möglicherweise nicht einmal ahnte: HOCHTIEF setzte damals einen Mitarbeiter ein, der erst kurz zuvor aus der DDR geflüchtet war. Sein Vorteil: Er war bestens vertraut mit DDR-Normen und -Vorschriften. Sein Nachteil: Er konnte die Baustelle aus naheliegenden Gründen niemals live erleben.

Mit dem SEZ getauften Sport- und Erholungszentrum trafen die staatlichen Planer offenbar den Volkswillen wie den berühmten Nagel auf den Kopf. 15.000 Menschen tummelten sich hier täglich, um Ablenkung von des Tages Dienst an den Produktionsmitteln zu suchen. Um das Ambiente freizeittechnisch auf der Höhe der Zeit zu gestalten, reisten die HOCHTIEF-Verantwortlichen durch die ganze ostdeutsche Landschaft, besorgten Vorhänge und die Kostüme der Hostessen. Eins aber fanden sie nicht: moderne Beleuchtung. Die Kugelleuchten aus Japanpapier brachten sie deshalb aus dem Westen mit – von Ikea.

Der Publikumsmagnet von einst ist heute ein verlassener Ort. 2002 geschlossen und ein Jahr später vom Senat der wiedervereinten Stadt verkauft, weil der Unterhalt zu teuer erschien. Erworben hat das Sportzentrum ein privater Investor für einen Euro.